Rede zum Willicher Haushalt 2022

In der Ratssitzung am 26. Januar wurde der Haushalt 2022 der Stadt Willich einstimmig verabschiedet. Im Vorfeld hielt ich in der mäßig geheizten Jakob-Frantzen-Halle meine Haushaltsrede, die Sie hier nachlesen können.

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr geehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Willicherinnen und Willicher,

wir müssen gewarnt sein: Ein Blick auf die Ergebnisrechnung zeigt, dass wir in akuter Gefahr sind, in die Genehmigungspflicht des Landrats zu rutschen. Das bedeutet, dass wir sehr sorgfältig und überlegt handeln müssen, um die Hoheit über unsere Finanzen zu behalten. Was ich in meiner ersten Haushaltsrede gesagt habe, gilt auch ein halbes Jahr später: Wir kommen noch mit einem blauen Auge davon, wobei die Betonung auf noch liegt, denn es gibt nun ein deutliches Minus. Ich möchte nicht sagen, dass wir sehenden Auges in defizitäre Haushaltsjahre hineinlaufen. Fakt ist aber, dass der Gestaltungsspielraum für die Politik nicht größer werden wird, wenn keine Maßnahmen getroffen werden, um den Haushalt mittelfristig wieder ausgleichen zu können. Die SPD wird den Mut haben, konkrete Vorschläge zu unterbreiten, die uns seitens der Verwaltung nach wie vor fehlen. Aber kommen wir weg vom Theoretischen hin zum Praktischen.

„Die SPD stand immer auf der falschen Seite der Geschichte“ sagte im September ein Kanzlerkandidat. Seitdem ist viel passiert. Und für uns Sozialdemokraten wird 2021, abgesehen aller Krisen und Katastrophen, ein politisches Jahr bleiben, auf das wir gern zurückblicken werden. Was hat sich über ein Jahr nach der Kommunalwahl positiv verändert? Was wurde aus den vielen Versprechungen, 100-Tage-Programmen oder sonstigen politischen Willensbekundungen? Wenn ich mit den Menschen auf den Marktplätzen, in den Vereinen oder in den Kneipen spreche, dann spüren sie bislang kaum eine Veränderung. Für die SPD-Fraktion kann ich sagen, dass wir ehrenamtliche Kommunalpolitik machen, um Dinge zu verändern. Um unsere Stadt nach vorn zu bringen. Um das Leben der Menschen in unserer Stadt zu verbessern. Und ja, einige Dinge haben wir seit der Kommunalwahl gemeinsam angestoßen, nachdem die SPD-Fraktion es in den letzten Jahren immer wieder zum Thema gemacht hat, wie zum Beispiel das Thema „Wohnen“.

Liebe Willicherinnen und Willicher,
eine Krise trifft immer die ökonomisch schwächsten Mitglieder unserer Gesellschaft. Und so ist es auch in der Corona-Krise. Deshalb halten wir Sozialdemokraten daran fest, dass Bildung langfristig gebührenfrei und über die Steuern, also von uns allen, finanziert werden muss – natürlich am besten über die Landesebene. Wie Sie alle wissen, wurden entsprechende Anträge der SPD von Schwarz-Gelb abgelehnt. Und deshalb hat meine Fraktion einen konkreten Vorschlag eingebracht, wie wir als Stadt diejenigen in Willich entlasten, die über ein geringes monatliches Einkommen verfügen. Wir wollten im Kita-Bereich die erste Beitragsstufe streichen und eine neue Stufe, beginnend ab 155.000 Euro Jahreseinkommen, auf die Beitragstabelle oben draufsetzen. Somit hätten wir das getan, was in Krisenzeiten getan werden muss: diejenigen zu unterstützen, die es ohnehin hart trifft. Das wäre eine Veränderung gewesen, die viele Menschen unmittelbar gespürt hätten. Damit hätten wir alle gemeinsam zeigen können, dass wir auf der Seite stehen, die ärmere Menschen unterstützt.

Sie, meine Damen und Herren (Anmerkung: gemeint sind die Ratsmitglieder der anderen Fraktionen), haben gegen unseren Antrag gestimmt und damit gegen eine spürbare Unterstützung vieler Familien. Dabei gab es in der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses drei bemerkenswerte Punkte, die hier noch mal genannt werden sollten:

  1. Eine Bemerkung aus der größten Stadtratsfraktion, 155.000 Euro Jahreseinkommen seien ein normales Durchschnittseinkommen der Mittelschicht. Das hat mich sehr irritiert und zeigt, glaube ich, dass hier im Stadtrat vollkommen unterschiedliche Vorstellungen über die hartarbeitende Mittelschicht existieren.
  2. Der Verweis der zweiten stellvertretenden Bürgermeisterin auf die sogenannte Härtefallregelung hat uns im besonderem Maße schockiert. Das müssen wir uns einmal vor Augen halten: Für Menschen, die sich die Kita-Betreuung nicht leisten können, gibt es einen letzten Ausweg, einen emotional belastenden Weg, nämlich eine Prüfung ihrer finanziellen Situation über sich ergehen zu lassen. Und die zweite stellvertretende Bürgermeisterin lehnt die Unterstützung für viele Familien ab, mit dem Verweis, auf eben diesen letzten Ausweg. Diese Haltung empfinde ich als das Gegenteil von Empathie.
  3. Hier gibt es einige Ratsmitglieder, die sich jahrelang für eine Beitragsfreiheit eingesetzt haben. Und genau diese Ratsmitglieder stimmen nun gegen die Entlastung Willicher Familien. Diesen Sinneswandel finde ich bemerkenswert und ich befürchte, dass es diesen Mitgliedern des Stadtrates nicht um die Sache geht.

Liebe Willicherinnen, liebe Willicher,
ich bin mir sicher: Es wird der Tag kommen, an dem Bildung in unserer Stadt und in unserem Land gebührenfrei sein wird und nicht mehr der Geldbeutel der Eltern über die Bildungschancen unserer Kinder entscheidet. Und ich bin froh darüber, dass meine Fraktion ihr Versprechen hält und jedes Jahr in Willich entsprechende Anträge stellen wird, bis wir dieses Ziel erreicht haben. Das zeigt, dass die Sozialdemokraten – auch hier in Willich – nie auf der falschen Seite der Geschichte standen.

Trotz dieser breiten Ablehnung einer spürbaren Entlastung vieler Willicher Familien wird die SPD-Fraktion in schweren Pandemiezeiten Verantwortung übernehmen und dem vorliegenden Haushalt zustimmen. Gleichzeitig aber fordern wir bei den absehbaren Haushaltsproblemen eine neue Schwerpunktsetzung: Wir erwarten, dass auch der neue Stadtkämmerer und der Bürgermeister hier gezielt Vorschläge unterbreiten. Wir können unsere Zukunftsaufgaben nur politisch wahrnehmen, wenn wir wieder finanzielle Handlungsspielräume schaffen. Dies wird nur gehen, wenn wir auch bereit sind, uns von der althergebrachten Verwaltung und liebgewonnenen Gewohnheiten zu trennen. So müssen wir uns zukünftig bei allen Investitionen auch fragen, ob wir diese auf Dauer wirklich leisten können. Die letzte Verwaltungsreform durch Lukas Siebenkotten liegt inzwischen 25 Jahre zurück. Wir müssen die Verwaltung straffen, digitalisieren und auf das nächste Jahrzehnt ausrichten. Die SPD-Fraktion ist bereit, daran mitzuarbeiten.

Vielen Dank und Ihnen allen gute Gesundheit

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