Das Oberverwaltungsgericht Münster hat am Dienstag entschieden, dass die Landratswahl im Kreis Viersen nicht wiederholt werden muss. Allerdings erkannte das Gericht eine verdeckte Wahlwerbung für den Landrat und damit eine Verletzung der Neutralitätspflicht an.
Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hatte im März 2022 die Landratswahl aus 2020 im Kreis Viersen für ungültig erklärt. Die Veröffentlichung einer 4-seitigen und vom Steuerzahler finanzierten Zeitungsnzeige der Kreisverwaltung, eine Woche vor der Landratswahl 2020, sah das Gericht als eine unerlaubte Wahlwerbung für den CDU-Landrat Dr. Andreas Coenen. Leider weigerte sich der Landrat, Verantwortung zu übernehmen. Stattdessen legten sowohl er als auch der Kreistag (mit den Stimmen von CDU und Grünen) Berufung gegen das Urteil ein. Deshalb musste nun das Oberverwaltungsgericht (OVG) entscheiden.
Zwar liege durchaus eine Wahlbeeinflussung vor. Aber diese sei nicht so gravierend, dass eine Wiederholung der Landratswahl stattfinden müsse, begründete das Gericht sein Urteil. Zudem erkannte das OVG in der Anzeige, in der 17 Mal der Name des Landrats genannt wurde, verdeckte Wahlwerbung. Damit sei gegen die Neutralitätspflicht verstoßen worden. Denn staatlichen Organen ist es untersagt, sich in amtlicher Funktion vor Wahlen mit politischen Parteien oder Wahlbewerbern zu identifizieren und sie als Amtsträger zu unterstützen oder zu bekämpfen.
Die Entscheidung des OVGs ist anzuerkennen. Die bei RP-Online auszugsweise zitierte Urteilsbegründung des Richters teile ich dagegen nicht. „Zwar ist es bei der Vorbereitung der Wahl durch eine unzulässige Wahlbeeinflussung zu einer Unregelmäßigkeit im wahlrechtlichen Sinne gekommen. Es fehlt aber an ernst zu nehmenden Gründen für die Annahme, dass die Wahl bei ordnungsgemäßem Ablauf möglicherweise zu einem anderen Ergebnis geführt hätte.“ Im Klartext: Ohnehin hätte keiner der Mitbewerber eine Chance gegen den amtierenden CDU-Landrat gehabt. Das ist nicht meine Vorstellung einer demokratischen Wahl. Denn niemand kann mit Gewissheit sagen, wie das Ergebnis ausgefallen wäre, wenn der Landrat die demokratischen Gepflogenheiten beachtet hätte.
Ja, das Erreichen der Stichwahl oder gar ein Wahlsieg eines Nicht-CDU-Bewerbers im Kreis Viersen ist unwahrscheinlicher als in anderen Landkreisen – das habe ich bei der Landtagswahl 2022 selbst erfahren dürfen. Aber es ist eben nicht unmöglich. Deshalb hätte ich es begrüßt, wenn das OVG der Einschätzung des Düsseldorfer Verwaltungsgerichts gefolgt wäre und eine Neuwahl angeordnet hätte.
Was bleibt, ist die richterliche Feststellung des Einsatzes unzulässiger Wahlwerbung durch den Landrat. Man darf gespannt sein, ob Herr Dr. Coenen sich noch mal zu seinem Fehler selbstkritisch äußert und bei den Bürgern im Kreis Viersen für dieses peinliche Trauerspiel um Entschuldigung bittet. Am besten per Zeitungsanzeige. Ganzseitig und in Farbe.