Kurz vor Weihnachten hat das Land Nordrhein-Westfalen eine Nachricht verkündet, die in vielen Rathäusern zunächst für etwas Erleichterung gesorgt hat: Das Land übernimmt kommunale Altschulden in Höhe von rund 8,9 Milliarden Euro. Insgesamt 167 Städte und Gemeinden werden entlastet. Auch die Stadt Willich profitiert von dieser Altschuldenhilfe. Nach Mitteilung des Kämmerers Dr. Raimund Berg übernimmt das Land 7.461.656 Euro an Altschulden.
Das ist ohne Zweifel eine spürbare Entlastung. Aber es ist keine dauerhafte Lösung. Genau hier beginnt die politische Debatte, die geführt werden muss.
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ToggleWas genau hat das Land beschlossen?
Grundlage der Maßnahme ist das Altschuldenentlastungsgesetz NRW, das im Juli 2025 in Kraft getreten ist. Das Land übernimmt dabei einen Teil der kommunalen Liquiditätskredite. In den meisten Fällen sind es rund 40 Prozent der gemeldeten Altschulden. Besonders hoch verschuldete Kommunen erhalten eine stärkere Entlastung von bis zu 80 Prozent, wenn ihre Pro-Kopf-Verschuldung besonders hoch ist.
Die übernommenen Kredite gehen schrittweise bis Ende 2026 auf das Land über. Ab dem Landeshaushalt 2025 sind dafür jährlich 250 Millionen Euro für Zinsen und Tilgung eingeplant.
Ministerpräsident Hendrik Wüst spricht von einem „historischen Entlastungsschritt“. Das ist politisch nachvollziehbar formuliert. Sachlich betrachtet ist es jedoch vor allem ein erster Schritt, nicht mehr und nicht weniger.
Auch Willich wird entlastet – aber was folgt daraus?
Für unsere Stadt Willich bedeutet die Übernahme von rund 7,46 Millionen Euro zunächst geringere Zinslasten und mehr Planungssicherheit. Niemand wird bestreiten, dass das hilft. Gerade in Zeiten steigender Zinsen ist das ein wichtiger Effekt.
Aber man muss ehrlich bleiben: Diese Entlastung schafft keine neuen Handlungsspielräume. Sie sorgt nicht automatisch dafür, dass Schulen saniert, Kitas ausgebaut oder Straßen erneuert werden können. Sie verhindert vor allem, dass sich die Lage weiter zuspitzt. Die strukturellen Probleme vieler Kommunen bleiben bestehen – auch in Willich.
Das Grundproblem bleibt ungelöst
Viele Städte sind nicht allein deshalb verschuldet, weil sie über ihre Verhältnisse gelebt haben. Ein zentraler Grund ist, dass Kommunen seit Jahren immer mehr Aufgaben übernehmen müssen, ohne dass Bund und Land die Finanzierung dauerhaft und auskömmlich sicherstellen.
Aber: Das gilt nicht pauschal und schon gar nicht ohne Einschränkungen. Auch in Willich haben wir uns in den vergangenen Jahrzehnten vieles geleistet – bewusst und oft mit breiter politischer Mehrheit. Gute Infrastruktur, freiwillige Leistungen, hohe Standards bei Kultur, Sport und Freizeit gehören zu dem, was unsere Stadt lebenswert macht. Diese Entscheidungen waren nicht falsch, aber sie hatten und haben ihren Preis.
Die Wahrheit liegt deshalb in der Mitte: Willich steht heute nicht vor finanziellen Herausforderungen, weil „falsch gewirtschaftet“ wurde. Aber wir werden uns künftig ehrlicher fragen müssen, was dauerhaft finanzierbar ist und was nicht mehr in der Form, wie wir es gewohnt sind. Liebgewonnene Standards werden wir zumindest überprüfen müssen. Manche Angebote werden wir neu organisieren, andere vielleicht reduzieren oder anders priorisieren müssen.
Gerade deshalb reicht es nicht, wenn Land oder Bund nur einen Teil der Altschulden übernehmen. Ohne strukturelle Reform der Kommunalfinanzierung und ohne eine ehrliche Debatte vor Ort droht, dass wir uns in einigen Jahren wieder in derselben Lage wiederfinden.
Steigende Sozialausgaben, wachsende Standards, Investitionsstau bei Gebäuden und Infrastruktur, Personalmangel in den Verwaltungen – all das trifft Kommunen gleichzeitig. Die Altschuldenhilfe setzt am Ende der Kette an, nicht am Anfang.
Genau das kritisiert auch die SPD im Landtag NRW. Fraktionschef Jochen Ott bringt es auf den Punkt: Die Maßnahme sei ein wichtiges Teilstück, reiche aber nicht aus, um die schwerste Finanzkrise vieler Städte zu überwinden. Sein Stellvertreter Christian Dahm weist zu Recht darauf hin, dass ohne eine grundlegende Reform der Kommunalfinanzen jedes Jahr neue Altschulden entstehen könnten.
Und der Bund? Der fehlt weiterhin
Besonders problematisch ist, dass der Bund bislang keinen verbindlichen Beitrag zur Lösung der kommunalen Altschuldenfrage leistet. Dabei ist klar: Viele kommunale Belastungen resultieren aus Bundesgesetzen. Wer bestellt, muss auch bezahlen.
Solange der Bund sich aus der Verantwortung zieht, bleibt jede Landeslösung unvollständig. Auch das Land NRW macht deshalb weiter Druck auf Berlin. Zu Recht.
Warum wir als SPD-Fraktion in Willich weitergehen müssen
Genau aus diesem Grund haben wir als SPD-Fraktion im Rat der Stadt Willich einen Antrag gestellt, der über die bloße Altschuldenhilfe hinausgeht. Wir wollen wissen, wo Willich finanziell wirklich steht und welche Optionen es gibt, um die kommunale Finanzhoheit zu sichern. Konkret fordern wir eine transparente Darstellung:
- aller freiwilligen Leistungen der Stadt,
- der dafür eingesetzten Personalressourcen,
- der tatsächlichen Kosten,
- sowie realistischer Einspar- und Einnahmepotenziale.
Nicht, um pauschal zu kürzen. Sondern um politisch entscheiden zu können, ob und wie ein Eintritt in die Haushaltssicherung vermieden werden kann.
Fazit: Entlastung ja – Augen verschließen nein
Die Altschuldenhilfe des Landes NRW ist sinnvoll und notwendig. Sie verschafft Luft. Aber sie heilt nicht die Krankheit. Wer jetzt so tut, als sei das kommunale Finanzproblem gelöst, macht es sich zu einfach. Was wir brauchen, ist:
- eine dauerhafte, auskömmliche Finanzierung der Kommunen,
- eine faire Aufgabenverteilung zwischen Bund, Land und Kommunen
- und ehrliche politische Debatten vor Ort.
Die Altschuldenhilfe ist ein Anfang. Mehr nicht. Jetzt kommt es darauf an, die strukturellen Probleme anzugehen – auch hier in Willich.
