Sauberes Trinkwasser ist eine Selbstverständlichkeit. Zumindest sollte es das sein. Doch ein aktueller Bericht der Kreisverwaltung Viersen macht deutlich, dass diese Selbstverständlichkeit längst keine mehr ist. Die Belastung des Grundwassers mit Nitrat gehört im Kreis Viersen zu den höchsten in ganz Deutschland. Das ist kein neues Problem. Aber eines, das wir uns nicht länger leisten können zu ignorieren.
Der Nitratbericht 2024 wertet Daten von insgesamt 501 Grundwassermessstellen im Kreisgebiet aus. Das Ergebnis ist eindeutig und zugleich alarmierend: Rund 88 Prozent der Kreisfläche gelten nach der europäischen Wasserrahmenrichtlinie als Gebiete mit einer schlechten Grundwasserbeschaffenheit.
Jahrzehntealte Belastung mit spürbaren Folgen
Die hohe Nitratbelastung ist kein Phänomen der letzten Jahre. Bereits seit den frühen 1980er-Jahren musste in großen Teilen des Kreisgebiets die Trinkwassergewinnung in tiefere Grundwasserschichten verlagert werden. Nicht, weil diese technisch einfacher erreichbar wären, sondern weil die oberen Grundwasserschichten vielerorts nicht mehr nutzbar sind.
Landwirtschaft als Hauptverursacher – aber nicht pauschal
Der Bericht benennt klar die landwirtschaftliche Nutzung als Hauptursache der Nitratbelastung. Das ist fachlich belegt und wenig überraschend. Gleichzeitig wäre es zu einfach, hier pauschal Schuldzuweisungen zu verteilen.
Denn der Bericht zeigt auch, dass grundwasserschonende Bewirtschaftungsmaßnahmen Wirkung entfalten können. In Kooperationen zwischen Landwirtschaft und Wasserversorgungsunternehmen, die bereits seit den 1990er-Jahren bestehen, lassen sich in einzelnen Gebieten und Betrieben messbare Verbesserungen nachweisen. Weniger Nitrat im Boden, geringere Belastungen im Grundwasser. Das Problem ist nicht, dass es keine funktionierenden Ansätze gibt.
Das Problem ist, dass diese Ansätze bislang nicht ausreichen, um die gesetzlichen Zielvorgaben flächendeckend zu erreichen.
Zusammenhang zwischen Nitratbelastung und Wasserpreisen?
Der Nitratbericht 2024 wurde am 25. November im Ausschuss für Umwelt, Klimaschutz und Landwirtschaft des Kreises Viersen vorgestellt. Als stellvertretender Sachkundiger Bürger der SPD-Fraktion konnte ich an der Sitzung teilnehmen. Wie dem Protokoll zu entnehmen ist, habe ich im Rahmen der Beratung eine Nachfrage gestellt, die viele Bürger umtreibt: Besteht ein Zusammenhang zwischen der hohen Nitratbelastung des Grundwassers, notwendigen Tiefenbohrungen und steigenden Wasserpreisen?
Hintergrund dieser Frage ist, dass die Trinkwassergewinnung im Kreis Viersen seit Jahrzehnten mit erheblichem technischem Aufwand verbunden ist. In großen Teilen des Kreisgebiets musste die Förderung in tiefere Grundwasserschichten verlagert werden, um die gesetzlichen Grenzwerte einhalten zu können. Seitens der Verwaltung wurde dazu erläutert, dass die größten Investitionen in Tiefenbohrungen und technische Infrastruktur bereits um das Jahr 2010 herum erfolgt seien. Für die Zukunft seien vor allem Wartungs- und Erneuerungsmaßnahmen zu erwarten.
Ein weiterer relevanter Kostenfaktor sei die Wasseraufbereitung. Eine eindeutige, direkte Korrelation zwischen aktuellen Nitratwerten und konkreten Preissteigerungen bei den Wasserwerken lasse sich jedoch nicht belastbar herstellen. Ergänzend wurde darauf hingewiesen, dass der Kreis Viersen keinen direkten Einblick in die Preisbildung der Wasserwerke hat. Entsprechende Fragen müssten gegebenenfalls direkt an die jeweiligen Versorger gerichtet werden.
Mir ist dabei bewusst, dass die Kreisverwaltung keine Preisaufsicht über die Wasserwerke ausübt. Gleichwohl halte ich es für legitim und notwendig, solche Zusammenhänge offen anzusprechen. Gerade weil Nitratbelastung, technische Aufbereitung und Wasserpreise seit Jahren eng miteinander diskutiert werden, wäre ein regelmäßiger Austausch zwischen Kreis, Kommunen und Wasserversorgern aus meiner Sicht sinnvoll, um Transparenz zu schaffen und Sorgen frühzeitig aufzugreifen.
Warum technische Lösungen allein nicht reichen
Die bisherige Strategie war vielerorts eine technische. Tiefer bohren. Aufwendiger filtern. Mehr investieren. Das mag kurzfristig funktionieren, löst aber das eigentliche Problem nicht. Nitrat, das einmal im Grundwasser ist, verschwindet nicht von selbst. Und jedes weitere Gramm verschärft die Situation.
Der neue Nitratbericht ist deshalb mehr als eine Bestandsaufnahme. Er ist ein Hinweis darauf, dass wir an strukturelle Grenzen stoßen. Wenn die rechtlichen Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie und der Grundwasserverordnung erreicht werden sollen, braucht es mehr als punktuelle Maßnahmen.
Monitoring, Kooperation und politische Konsequenzen
Der Kreis Viersen will die vorliegende Analyse künftig als Grundlage für ein kontinuierliches Nitrat-Monitoring nutzen. Das ist richtig und notwendig. Ebenso wichtig ist die angekündigte Intensivierung der Zusammenarbeit mit Umweltbehörden, der Landwirtschaftskammer und den Wasserversorgern.
Gleichzeitig muss klar sein: Monitoring allein senkt keine Nitratwerte. Es liefert Daten. Entscheidend ist, welche politischen und praktischen Konsequenzen daraus gezogen werden. Dazu gehören gezielte Anreize für grundwasserschonende Landwirtschaft ebenso wie klare Rahmenbedingungen, wo freiwillige Maßnahmen nicht ausreichen.
Ein Thema, das uns alle angeht
Nitrat im Grundwasser ist kein abstraktes Umweltproblem. Es betrifft unsere Trinkwasserversorgung, unsere Geldbeutel und letztlich die Frage, wie verantwortungsvoll wir mit unseren natürlichen Ressourcen umgehen.
Der Nitratbericht zeigt deutlich: Wir haben es mit einem langfristigen, strukturellen Problem zu tun. Wer heute wegschaut, verschiebt die Kosten und Risiken auf kommende Generationen. Das kann und darf nicht der Anspruch von Politik sein.
Wenn wir sauberes Trinkwasser auch in Zukunft sichern wollen, müssen wir jetzt handeln. Sachlich, faktenbasiert und mit dem Willen, bewährte Ansätze auszuweiten statt Probleme nur technisch zu umschiffen.
Die Handlungsmöglichkeiten des Kreises sind jedoch zu beschränkt. Deshalb muss die Landesregierung endlich tätig werden, um die hohe Nitratbelastung unseres Grundwassers in den Griff zu bekommen.
